Im Laufe der letzten Jahre entstanden eine Reihe fortdauernder Projekte im öffentlichen Raum.
Anke Binnewerg
Gedenkspur Pirna – Offene Erinnerung
Die 1811 auf einem Hügel über der Stadt gegründete Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein diente unter den Nationalsozialisten, wie fünf weitere Einrichtungen der „Aktion T4“, zur planmäßigen Ermordung von geistig Behinderten und psychisch Kranken. Zwischen 1940 und 1941 wurden dort 14.751 Menschen mit Kohlenmonoxid vergast, darunter etwa 700 Kinder und im Rahmen der „Sonderbehandlung 14f13" mehr als tausend arbeitsunfähige Häftlinge aus Konzentrationslagern.
Nach Einstellung der „Aktion T4“ im August 1941 auf innenpolitischen Druck erfolgten zur Spurenbeseitigung die Entfernung von Gaskammer und Krematorium sowie eine Umnutzung des Areals.¹ Obwohl es bei den Dresdner Euthanasieprozessen 1947 zur Verurteilung einiger Schuldiger kam, wurden die Morde während der DDR-Zeit nicht weiter verfolgt und waren demzufolge kaum bekannt.² Eine Ausnahme stellte die 1973 aufgestellte und heute noch vorhandene Gedenktafel am Aufgang zum Sonnenstein dar.³ Erst ab 1989 drangen die Ereignisse wieder ins öffentliche Bewusstsein, u.a. durch eine Ausstellung des Historikers Götz Aly zur „Aktion T4" und die Gründung des „Kuratoriums Gedenkstätte Sonnenstein e.V." durch Pirnaer Bürger und Angehörige von Opfern. Im Jahr 2000 wurde vor Ort die Gedenkstätte mit einer Ausstellung zur Geschichte und einem Gedenkbereich eröffnet, etwas später wurde in direkter Nachbarschaft eine Behindertenwerkstatt der Arbeiterwohlfahrt (AWO).⁴
Die Frage nach einer angemessenen Erinnerung an die Opfer der Euthanasieanstalt blieb offen und stellte sich verstärkt während der jährlich in der Gedenkstätte stattfindenden internationalen Sommerlager mit Jugendlichen und Teilnehmern der AWO-Werkstatt. Veranstalter waren die Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste e.V. und der Liebethaler e.V.
Der daran beteiligte Pirnaer Sozialarbeiter und Künstler Christoph Hampel entwickelte die Idee einer Gedenkspur, um eine verständliche und aktive Art des Gedenkens zu ermöglichen. Die Spur besteht aus rund 15.000 kleinen, auf die Gehwege gesprühten farbigen Kreuzen – jedes steht für ein Opfer - und verbindet die Stadt Pirna mit der Gedenkstätte. Das Kreuzsymbol wurde in Abstimmung mit verschiedenen Interessengruppen als allgemein verständliches Todes- und Gedenkzeichen ausgewählt. Die unterschiedlichen Farben verweisen auf die Individualität der Opfer. Dem Anlegen der Gedenkspur ging ein Diskussionsprozess voraus. Bedenken herrschten hinsichtlich der Wirksamkeit und Ausführbarkeit sowie Angst vor rechtsextremem Vandalismus. Eine Hürde war die Frage nach der Eigentümerschaft, die schließlich durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten, stellvertretend vor Ort durch die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, übernommen wurde. Die Pflege der Gedenkspur gewährleistet die Aktion Zivilcourage e.V. Pirna. Negative Eingriffe sind bisher nicht erfolgt. Die Stadt Pirna unterstützte das Vorhaben, indem sie öffentliche Flächen bereit stellte und das Anlegen der Spur unbürokratisch genehmigte. Durch die Weigerung eines privaten Eigentümers, sein Grundstück zur Verfügung zu stellen, entstand kurz vor der Gedenkstätte eine Lücke, die erst 2008, nach Erwerb der Fläche durch das Landratsamt, geschlossen werden konnte.⁵
Die Spur wurde im Sommer 2002 mit dem Sprühen der ersten Kreuze in der Gedenkstätte begonnen, durch den damaligen Bürgermeister Markus Ulbig eingeweiht, jährlich erweitert und 2007 fertig gestellt. Zur Information dienen zwei Metalltafeln⁶ am Treppenaufgang zum Sonnenstein und vor der Gedenkstätte sowie im Bürgerbüro und in der Touristeninformation erhältliche Faltblätter.⁷
Da die Opfer auf verschiedenen Routen zum Sonnenstein gebracht wurden, konnte die Gedenkspur ihren Weg nicht abbilden. Sie beginnt im Keller der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, dem ehemaligen Standort von Gaskammer und Krematorium. Folgt man der Richtung ihrer Entstehung, so führt sie von dort über den Schlossberg hinab in die Innenstadt, wo sie auf verschlungenen Wegen den Markt und die Kirche St. Marien streift, um an der Elbe als symbolisch gemeintem Schlusspunkt auf Höhe einer Dampferanlegestelle zu enden. Das Erscheinungsbild der Spur wirkt trotz verwendeter Schablonen wie eine naive Kreidezeichnung. Die zuerst angelegten Kreuze im Keller der Gedenkstätte sind in der originalen Fassung erhalten, die meisten anderen Stellen bereits überarbeitet. Dass einige Kreuze verschwunden sind, mag nachdenklich stimmen. Doch besteht darin gerade die Besonderheit, nämlich in der Notwendigkeit zur ständigen Erneuerung und Sichtbarmachung. Indem Personen beim Nachsprühen der Kreuze das Gedenken für andere wach halten, partizipieren sie aktiv daran. Sie machen durch ihre Tätigkeit auf die Spur aufmerksam, rufen sie Jenen in Erinnerung, die sie im Alltag nicht mehr sehen und setzen Außenstehende in Kenntnis. Die abstrakte Zahl der Toten wird beim Verfolgen der Gedenkspur greifbarer und in den städtischen Alltag gerückt. Dass ein individuelles, breitenwirksames Gedenken ohne jegliche Monumentalität geschaffen wurde, liegt an der Offenheit, die das Konzept durchzieht. Wegeverlauf, Farbwechsel oder fehlende Akkuratesse der Kreuze ermöglichen einen unkonventionellen Einstieg in die Auseinandersetzung.⁸
Eine Gruppe engagierter Bürger aus Pirna machten sich 1993 Gedanken darüber, wie man Pirnas Attraktivität steigern könnte. Der in Pirna lebende, chilenische Künstler Hernando Leon hatte die Idee eines „Tages mit Kunst“. Dieser sollte am Wochenende einladen zum Flanieren, Kaffee trinken und sich auf auf verschiedene Weise entspannt mit Kunst zu beschäftigen. Die Idee fand unter den Beteiligten große Zustimmung. Auch ich fand diese Idee sehr gut und war von Anbeginn an der Umsetzung und Realisierung dieses Projektes beteiligt. Jedes Jahr am 1. Juli Wochenende wurden vornehmlich bildende Künstler eingeladen, ihre Werke in leer stehenden Geschäften beziehungsweise Gebäuden der Pirna Altstadt zu präsentieren. Dazu wurden auch Künstler anderer Sparten eingeladen, wie Tänzer, Musiker, Schauspieler, Lyriker, usw..
Es entstand ein lebendiges Kunst-Fest. Aus einem Tag wurde ein ganzes Wochenende.
Da ich ein Atelier im Hinterhof eines Altstadt-Gebäudekomplexes in Pirna angemietet hatte, beteiligte ich mich regelmäßig zusammen mit verschiedenen Künstlern am Tag der Kunst. Im Jahr 2017 wurde mir mein Ateliervertrag kündigt und ich konnte auch den geräumigen Hinterhof für den Tag der Kunst nicht mehr nutzen. Dies führte dazu, dass meine Aktivitäten für den Tag der Kunst weniger wurden und ich mich nur noch selber als Aussteller beteiligte.
Seit der Entstehung der Straßengalerie 1995 in Pirna beteilige ich mich fast regelmäßig an diesem Gemeinschafts-Projekt. Die Frei-Luft-Bilder-Ausstellung wird jedes Jahr, zum Tag der Kunst, am 1. Juli-Wochenende unter einem bestimmten Thema eröffnet.
Es hängen 10 doppelt bespannte Leinwände, von 20 Künstlern bemalt, bis in den Herbst hinein. Dabei haben 10 Künstler etwa sechs Wochen Zeit eine Leinwandseite. Dann bemalen die anderen 10 Künstler die noch unbemalten Seiten.
© Christoph Hampel 2024
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