Da die Opfer auf verschiedenen Routen zum Sonnenstein gebracht wurden, konnte die Gedenkspur ihren Weg nicht abbilden. Sie beginnt im Keller der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, dem ehemaligen Standort von Gaskammer und Krematorium. Folgt man der Richtung ihrer Entstehung, so führt sie von dort über den Schlossberg hinab in die Innenstadt, wo sie auf verschlungenen Wegen den Markt und die Kirche St. Marien streift, um an der Elbe als symbolisch gemeintem Schlusspunkt auf Höhe einer Dampferanlegestelle zu enden.
Das Erscheinungsbild der Spur wirkt trotz verwendeter Schablonen wie eine naive Kreidezeichnung. Die zuerst angelegten Kreuze im Keller der Gedenkstätte sind in der originalen Fassung erhalten, die meisten anderen Stellen bereits überarbeitet.
Dass einige Kreuze verschwunden sind, mag nachdenklich stimmen. Doch besteht darin gerade die Besonderheit, nämlich in der Notwendigkeit zur ständigen Erneuerung und Sichtbarmachung. Indem Personen beim Nachsprühen der Kreuze das Gedenken für andere wach halten, partizipieren sie aktiv daran. Sie machen durch ihre Tätigkeit auf die Spur aufmerksam, rufen sie Jenen in Erinnerung, die sie im Alltag nicht mehr sehen und setzen Außenstehende in Kenntnis.
Die abstrakte Zahl der Toten wird beim Verfolgen der Gedenkspur greifbarer und in den städtischen Alltag gerückt. Dass ein individuelles, breitenwirksames Gedenken ohne jegliche Monumentalität geschaffen wurde, liegt an der Offenheit, die das Konzept durchzieht.
Wegeverlauf, Farbwechsel oder fehlende Akkuratesse der Kreuze ermöglichen einen unkonventionellen Einstieg in die Auseinandersetzung.8

Der zuvorstehende Text wurde 2010 bereits in folgender Publikation veröffentlicht:
Anke Binnewerg (Hrsg.): Farben des Todes. Ausstellung im Uniwerk Pirna, 27.03. - 24.04.2010. Mit Arbeiten von Anke Binnewerg, Susan Donath und Eduardo Molinari.  Dresden 2010. ISBN: 978-3-00-031417-9
Weitere Informationen unter www.anke-binnewerg.de